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Beim Bondage: es ist dreckig, es riecht muffig
Überall liegt Schutt. Die Luft schmeckt nach Asche. Das fahle Licht schimmert durch die geöffneten, hölzernen, betagten Dachluken. Leblos baumeln die Hanfseile von den Balken auf dem verwitterten Speicher…
Location: Russische Kaserne
Wir sind mitten in einer Produktion der Eronite Movie Productions. Hier, in den alten russischen Kasernen am Stadtrand, ist es kalt und ungemütlich, der Geist längst vergangener Tage sowjetischer Besatzungszeit weht durch die Unterkünfte der vor zwanzig Jahren abgezogenen Rotarmisten. Die Sowjetarmee hat wirklich alles mitgenommen, was weder niet- noch nagelfest war. Toilettenschüsseln sind ebenso herausgerissen wie Waschbecken, Lichtschalter und Kupferrohre.
„Tsuri“ ist eine asiatische Fesseltechnik und gehört zur Gattung des „Shibari“, auch bekannt als Japan-Bondage. Begonnen wird mit einer sogenannten „Takate-Kote“ (Oberkörperfesselung), um den oder die Delinquenten/in an den Stricken mittels Hängefesselung an Deckenhaken oder ‑balken hochziehen und dort fixieren zu können. Da hier das gesamte Körpergewicht sprichwörtlich „in den Seilen hängt“, sollten sich nur ausgewiesene Bondage-Expertren an diese Spielart wagen, um gesundheitliche (Langzeit-)Schäden zu vermeiden. Generell dürfen Seile hierbei nicht an solchen Stellen verwendet werden, an denen Nervenbahnen verlaufen oder an denen ein Pulsschlag fühlbar ist. Beim Tsuri werden Lust, Schmerz und Ästhetik vereint zu einem begehrlichen Cocktail menschlicher Reiz- und Sinnesempfindungen.
Ein Bondage-Film entsteht
Dr. Idan, seines Zeichen Vollprofi auf dem Gebiet der erotischen Kunst des Fesselns, ist bereit, sein weibliches Opfer heute zu empfangen. Während Idan seine Utensilien ordnet und auf Sicherheitsaspekte überprüft, bespricht Hera Delgado, Deutschlands wohl einzige Fetischfilmregisseurin sowie Produktionsleiterin der Eronite, mit Kameramann als auch Licht- und Tonassistent die ersten Einstellungen wie Beleuchtungsintensität, Blickwinkel aufs Geschehen und Kamerafahrt. Unzählige Male geht sie mit dem Technical Producer die Treppe hinauf zum Dachboden und überlegt, aus welcher Perspektive die Hängefesselung am besten zur Geltung käme.
Während der Dreharbeiten zum Film ist ein TV-Team anwesend und möchte für die Zuschauer seines bekannten Magazins der Eronite-Crew über die Schulter schauen. Interviews mit den Protagonisten stehen an, Einblicke in die Arbeit der Produktionsleiterin sollen genauso erhascht werden wie aufschlußreiche Erkenntnis über die feinen Techniken des Bondage-Künstlers. Die Fernsehleute bewegen sich leise, fast unmerklich am Set und stören so weder Ablauf des Fetischfilmstabs noch den Arbeitsfluß des Fetischisten und seiner willigen und bald wehrlos verschnürten Gespielin.
Doktor Idan fesselt nicht einfach
Er zelebriert. Allein schon eine Kunst, wie er die Seile vorbereitet, sie windet und bindet zu einem Knoten höchster Fertigkeit. Um seinem Können die Krone aufzusetzen, plant er für seine bis auf einen Slip nackten Sklavin die Tsuri, die Hängebondage, mit hinter dem Rücken verschnürten Armen. Sodann bewaffnet sich der Performance-Künstler mit einem Bondage-Ring und bringt diesen an einem Querbalken der maroden Dachkonstruktion an – selbstredend nicht vorher eigenhändig geprüft zu haben, ob dieser das Gewicht seiner in Kürze Verpackten zu tragen vermag.
Regisseurin Hera Delgado schaltet sich erneut ein und bittet Dr. Idan, sein Vorhaben ihr und der Protagonistin kurz zu erläutern, damit diese gegebenenfalls noch Einfluß auf den Ablauf, der von nun an nicht mehr gestört oder unterbrochen werden soll, nehmen können. Und um den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, muss die nackte Maid das Dreiergespann schließlich verlassen und wird sich später von der genauen Art der Fesselung überraschen lassen müssen.
Die Planungen sehen mehrere Szenen vor: klassische Hängebondage jeweils auf dem Dachspeicher, im Türrahmen mit Blick in den Wald und später an der Studiodecke sowie eine Oberkörperfesselung im Liegen, Stehen und in sitzender Position.
Lustschmerzen im Film
Das überall herumliegende Geröll in der Ruine fördert eine teils gespenstische Atmosphäre zu Tage, dem Beleuchtungsassistenten geht das Herz auf. Der Kameramann hat Stellung bezogen und das sadomasochistisch angehauchte Spiel darf nun beginnen: Shibari und Tsuri in ästhetischer Kunst und perfekter Vollendung. Eh sich das Model versieht, hängt es mit gestreckten Extremitäten in der Luft, die Seile schneiden sich ein wenig in die zarte Haut und hinterlassen dezente Spuren. Der Druck auf den sonst nur Blitzlichtgewitter gewohnten Körper erzeugt einen Lustschmerz ungeahnten Ausmaßes und so baumelt die Gespielin im Rausch des Verlangens in den Abend hinein.
Dieser vom Eronite-Team geschriebene Artikel erschien auch in der November-Ausgabe des Branchenmagazin AWMpro (Printausgabe).