Inhaltsverzeichnis
Journalisten im Löschteam bei Pornoseite
Das Internet bietet eine Menge Möglichkeiten, Fotos und Videos hochzuladen und der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Hierzu gelten strikte gesetzliche Regeln. Vor allem bei Erotik- und Pornomaterial sind die Gesetze klar – sollte man zumindest meinen, denn wie eine Recherche bei xHamster zeigt, besteht der Verdacht, dass hier nicht alles optimal läuft. Dem sind zwei Journalisten auf den Grund gegangen und haben sich Undercover ins Löschteam von xHamster eingeschmuggelt.
Damals noch für das Magazin "Vice" gearbeitet, haben Yannah Alfering und ein Kollege unter falschen Namen eine Stelle im Löschteam von xHamster angenommen. Dieses Team war eigens damit beauftragt, auf der Plattform hochgeladene Fotos und Videos vor der Veröffentlichung nach Einhaltung gesetzliche Vorgaben und Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu kontrollieren. Dazu zählten unter anderem die Volljährigkeit aller abgebildeten Personen. Grund für ihren Undercover-Einsatz war der Vorwurf von fahrlässigem Umgang mit vermeintlich Minderjährigen und sexualisierten Gewaltaufnahmen.
Darum geht's

Im Privatleben nehmen sexuelle Gewaltexzesse, tränenreiche Schmerzen oder Sex mit Minderjährigen (Teenagern) eine geringfügige, für viele gar keine Bedeutung ein. Doch schaut man sich die Statistiken von pornografischen Online-Inhalten an, so zählen diese zu den häufigsten Suchbegriffen auf Pornoseiten. Und genau hier beginnt das Problem. Überprüft wird das Alter bei jedem, der einen Account auf xHamster eröffnen möchte. Dazu verpflichtet sich der Kontoinhaber, ausschließlich Foto- und Filmmaterial hochzuladen, an dem dieser die Rechte besitzt, alle abgebildeteten Personen mit der Veröffentlichung einverstanden sind und die Aufnahmen beziehungsweise aufgenommene Aktionen aus freiwilligem Willen entstanden. So soll sichergestellt werden, dass die gefesselte junge Frau auch tatsächlich mindestens 18 Jahre alt ist, freiwillig und ohne Zwang die gezeigte erotische und/oder sexuelle Handlungen vornahm sowie der Veröffentlichung auf der xHamster Porno-Plattform zustimmte.
Löschteam mit ungenauen Kontrollen
Trotz des klar beschriebenem Verantwortungs- und Tätigkeitsbereiches des xHamster-Löschteams steht die Frage im Raum, ob sie ihren Job pflichtbewusst und gewissenhaft ausführen. Ob das Löschteam tatsächlich jedem Fall genau nachgeht, zweifeln die Journalisten nach ihrem Undercover-Einsatz an. Laut ihren Angaben nähme das Löschteam ihre Aufgabe nicht sehr ernst, da lediglich unpräzise Überprüfungen stattfinden würden.
Im Anschluss an die verdeckte Ermittlung der Journalisten stellte das Vice-Magazin dem xHamster-Sprecher einige Fragen zu den Vorwürfen. Diese blieben gänzlich unbeantwortet.
Regeln für Löscharbeiten
In einem Interview gaben die Journalisten weitere Informationen über Erlebtes während ihrer getarnten Mission. So gäbe xHamster genaue Regeln vor, nach welchen Kriterien das Löschteam eingegangene Fotos und Videos zu bewerten habe. Allerdings sind es zwei Teams: eins kümmert sich um Fotos und das andere ist nur für Videos zuständig. Über Letzteres konnten die Journalisten kaum Informationen sammeln, weil sie weder Zugang zu dem Bereich erhielten noch "Kollegen" aus ihrem Foto-Löschteam darüber verfügten – oder sich einfach nur nicht dazu äußern wollten.
Für das Foto-Team bestünde demnach die Regel, nach eigenem Ermessen zu entscheiden und nur zu löschen, wenn sie sich 100%ig sicher seien, dass es sich bei einem Foto um einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben handelt – sprich, wenn sie sich sicher seien, dass eine abgebildete Person unter 18 Jahre sei, sie zu den Fesselspielen gezwungen würde, den Schlägen nicht zuvor zugestimmt hätte und nichts von der Veröffentlichung im Internet/auf einer Porno-Plattform wüsste.
Es ist natürlich absurd, dies anhand einer rein optischen Überprüfung eines Fotos zu erkennen. Deshalb sollte eigentlich der Einreicher/Account-Inhaber entsprechende Nachweise zusammen mit den Fotos einreichen. Hier trifft der Vorwurf der Fahrlässigkeit genau ins Schwarze, denn es ist für jeden schier unmöglich, bei den meisten jungen Personen sicher zu bestimmen, ob sie 17 oder 18 Jahre alt sind. Vor allem bei Mädchen sorgt ein passendes Styling häufig dafür, dass sie um Jahre älter aussehen. Insbesondere, wenn das Verhalten nicht wahrzunehmen ist, können rein visuell selbst 14-Jährige wie 18-Jährige aussehen.
Das Löschteam-Handbuch
xHamster reicht den Mitarbeitern vom Löschteam ein Handbuch zur angeblich besseren Orientierung. Darin heißt es laut den Journalisten, Piercings und Tätowierungen seien ein Hinweis für eine Volljährigkeit. Bei sexueller Gewalt sei die Echtheit eines Weinens zu beurteilen. Ein gespieltes Weinen könne auf eine inszenierte Szenerie hindeuten wie beispielsweise während einer fingierten Vergewaltigung (Rape Game). Deshalb seien Fotos nur zu löschen, bei denen der Mitarbeiter zu 100 Prozent davon überzeugt sei, dass Tränen echt seien.
Zahlreiches Sex-Material ohne Zustimmung
Die beiden Journalisten sind nicht zufällig für den Undercover-Job ausgewählt worden. Sie sind seit längerem mit Veröffentlichungen von Foto- und Filmmaterial auf Erotik- und Porno-Plattformen beschäftigt, die dort ohne Zustimmung Betroffener landen. Besonders Frauen sind hier häufig Opfer. Dass verschmähte Liebhaber und Ex-Partner aus Frust und/oder Wut Nacktaufnahmen und Sexvideos von Frauen im Internet verbreiten, in erster Linie auf Porno-Websites, ist keine Seltenheit. Es sind sogar Fälle von Voyeur-Videos bekannt, deren Aufnahme von öffentlichen Toiletten stammen.
In den Medien sind gelegentlich von installierten, versteckten Kameras in Umkleidekabinen, Duschanlagen, Saunabetrieben und Schwimmbädern zu erfahren. Selbst manch ein Vermieter schreckt nicht davor zurück, seine zu vermietende Wohnung mit verborgenen Kameras auszustatten, um heimliche Aufnahmen im Bad oder Schlafzimmer zu machen. Nicht immer sind diese zur Privatnutzung der Voyeure. Sie landen regelmäßig im Internet und auf Porno-Seiten. Nicht umsonst sind laut den umfangreichen Recherchen der Journalisten Hunderte von Voyeurvideos online zu finden – mit Personen darin, die davon nichts wissen und vielfach das genau so auch visuell von jedermann zu sehen ist. Dennoch sind sie online und viele bleiben es dauerhaft.
Keine pornografischen Inhalte mit Kindern
Einen positiven Aspekt nehmen die Journalisten dennoch mit: keine Aufnahmen zeigten Kinder. Diese sind nun mal auch eindeutig als Minderjährig zu identifizieren, weshalb dafür "geheime" Bereiche im Internet genutzt werden, denen behördliche Ermittler auf der Spur sind.
Dennoch ist es nicht schönzureden, dass Fotos auf xHamster sehr junge Frauen zeigen, die durchaus minderjährig sein könnten. Es sind aber nicht ausschließlich Nackt- oder sexualisierte Fotos, die den Underover-Journalisten in die Hände fielen. Oftmals sind es ganz normale Fotos wie sie beispielsweise auf Social Media zu finden sind. Doch landen sie auf einer Porno-Plattform, erhalten sie eine ganz andere Bedeutung, weil User mit ganz anderer Intension darauf blicken.
Löschteam nur mit sicheren Entscheidungen bei xHamster
Das Löscharbeiten-Team gäbe es nur sichere Beurteilungen ab. Das bedeutet: ist sich ein Löscharbeiter nicht sicher, ob die junge Frau 17 Jahre oder volljährig ist, gibt das System von xHamster keine Möglichkeit zur Löschung. Hier gilt "entweder oder" – entweder ist man sicher, sie ist mindestens 18 und winkt das Foto durch, oder man ist sich sicher, sie ist minderjährig und löscht das Foto. Eine andere Option stünde nicht zur Auswahl.
Dazu käme laut den Journalisten, dass Ablehnungen, sprich Löschungsgründe, nicht gern gesehen seien. Kämen Löschungen bei einem Mitarbeiter zu häufig vor und Kollegen bewerteten diese als nicht löschungsbegründet, sei ein Rauswurf aus dem Team Programm.
Das Fazit der Journalisten
Die Journalisten sind sich sicher, dass das Löschteam von xHamster weiß, dass Fotos auf der Plattform im Umlauf sind, für die keine Einwilligung der abgebildeten Personen vorliegt. Sie wissen ihrer Meinung nach auch, dass ihre Altersbewertungen vielfach alles andere als 100-prozentig sicher sind und trotzdem online gehen. Hier geht es eindeutig um Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz.
Doch es passiert nichts. Dem Gesetzgeber reicht es, wenn beim Hochladen von Bildern und Videos einmalig auf einen Button zu klicken ist, dass das vorliegende Einverständnis gezeigter Personen vorliegt und eine Volljährigkeit gegeben ist. Bestätigen kann das jeder 14-Jährige, der sich vielleicht mit dem Ausweis seines großen, volljährigen Bruders einen Account auf xHamster angelegt hat. Hat er beispielsweise heimlich Fotos von der 16-Jährigen, unliebsamen Nachbarstochter beim Umziehen in ihrem Zimmer gemacht, ist es für ein Kinderspiel für ihn, diese auf der Plattform online zu stellen. Da muss sich dringend etwas ändern, da sind sich nicht nur die Journalisten nach ihrem Undercover-Einsatz einig. Nur sehen sich xHamster und ihr Löschteam hier offensichtlich nicht in der Verantwortung.