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Der lange Weg zur Selbstfindung
Larissa Horn (29) aus Schwenningen hat einen langen und oft steinigen Weg hinter sich – den Weg zu sich selbst, zu einem Leben als Frau. Geboren als Domenic, fühlte sie sich schon als Kind nicht wohl in der ihr zugedachten Rolle. Heute strahlt sie voller Selbstbewusstsein und lebt ihr Leben in vollen Zügen. Doch bis zu diesem Punkt war es ein weiter Weg.
Bereits als kleines Kind merkte Domenic, dass er anders war als andere Jungen. Während sich Gleichaltrige für Fußball und Autos begeisterten, zog es ihn zu Make-up, Tanz und schönen Kleidern. Doch in einer Welt, die klare Vorstellungen von Geschlechterrollen hat, ist es nicht einfach, anders zu sein.
„Mama, wie hättet ihr mich genannt, wenn ich ein Mädchen wäre?“
Als der 17-jährige Domenic seine Mutter fragt, welchen Namen sie ihm gegeben hätten, wenn er als Mädchen zur Welt gekommen wäre, ahnt er noch nicht, dass diese Antwort der Startpunkt für seine endgültige Entscheidung sein wird. „Larissa“, so lautet der Name. Jahre später trägt er diesen voller Stolz.
Schon früh fühlte sich Domenic nicht wohl in seiner Haut. Während andere Jungen voller Eifer auf dem Fußballplatz standen, hielt er sich im Hintergrund. „Ich habe den Ball ständig abbekommen, das einzig Tolle waren die Schuhe, die beim Laufen geklackert haben“, erinnert sich Larissa Horn schmunzelnd. Eigentlich wollte sie lieber tanzen, doch damals war das für Jungen eher untypisch.

In der Pubertät versuchte Domenic zunächst, sich der Erwartungshaltung anzupassen. Er hatte eine Freundin, führte eine Beziehung – doch tief in seinem Inneren spürte er, dass es nicht das Richtige war. Der Wendepunkt kam, als er mit 16 Jahren in einem Schwulenclub einen Mann kennenlernte. Zum ersten Mal begann er, über seine Identität nachzudenken. Der neue Partner stellte die entscheidende Frage: „Könnte es sein, dass du eigentlich eine Frau bist?“
Ein steiniger Weg: Die ersten Schritte in ein neues Leben
Heute ist der Wechsel des Geschlechts in Deutschland durch das Selbstbestimmungsgesetz einfacher als früher. Seit dem 1. November 2024 kann jede Person ohne aufwendige Gutachten oder medizinische Nachweise ihr Geschlecht offiziell ändern lassen. Doch als Larissa diesen Weg vor mehr als zehn Jahren ging, war es noch eine große Herausforderung.
Ihr erster Schritt: die Namensänderung. Ihre Eltern gaben ihr den Namen Larissa erneut – ein Zeichen der Akzeptanz. Während ihre Mutter sie unterstützte, hatte ihr griechischer Vater große Schwierigkeiten, seinen „Sohn“ als Tochter zu akzeptieren. Ihr Großvater ging sogar so weit, ihr Geld für den Führerschein anzubieten, wenn sie sich wieder als Domenic identifizieren würde. Doch Larissa Horn blieb standhaft. Sie bezahlte den Führerschein selbst und begann eine Ausbildung zur Friseurin.
Der offizielle Prozess begann mit regelmäßigen Sitzungen bei einem Psychologen. „Einer der Tests war, im Bikini ins Schwimmbad zu gehen“, erinnert sie sich. Schritt für Schritt lebte sie sich in ihre neue Identität ein. Mit 18 begann sie schließlich die Hormontherapie – ein entscheidender Moment auf ihrem Weg.
Hormontherapie: „Ich wurde eine Mimose“
Der Beginn der Hormontherapie war für Larissa ein einschneidendes Erlebnis. Die Einnahme von Testosteron-Blockern und Östrogenen veränderte nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Emotionen. „Ich konnte vorher nie weinen. Dann habe ich plötzlich bei jeder traurigen Netflix-Serie geheult“, lacht sie. Doch mit diesen Veränderungen kam auch eine enorme psychische Belastung.
Für die offizielle Anerkennung als Frau musste Larissa vor Gericht erscheinen. Die Erinnerung an diesen Tag ist zwiespältig: Der Richter begrüßte sie als „Herr Horn“ und verabschiedete sie später mit den Worten „Auf Wiedersehen, Frau Horn“. Eine ironische, aber bedeutsame Szene auf ihrem Weg zur Selbstbestimmung.
Kein chirurgischer Eingriff: „Ich bin so besonders“
Mit Mitte 20 entschied sich Larissa für eine Brustvergrößerung, ließ jedoch die geschlechtsangleichende Operation nicht durchführen. „Das ist ein krasser Eingriff, und ich wollte mir meine Extrawurst bewahren“, sagt sie selbstbewusst. Ihre Entscheidung zeigt, dass jede Transfrau ihren eigenen individuellen Weg findet.
Die Aussöhnung mit der Familie
Larissas Beziehung zu ihrem Vater war lange belastet, doch bevor er starb, kam es zur Versöhnung. „Er wollte mich nur vor Mobbing bewahren“, sagt sie heute. Mittlerweile hat sie auch den Kontakt zu anderen Verwandten wieder aufgebaut – ihre Freunde standen ohnehin immer hinter ihr.
Heute lebt Larissa Horn ein erfülltes Leben. Nach einer gescheiterten Ehe steht bald ihre zweite Hochzeit an, und sie plant, gemeinsam mit ihrem Partner ein Kind zu adoptieren. Ihr Alltag unterscheidet sich nicht von dem anderer Frauen. Dennoch warnt sie junge Menschen davor, vorschnelle Entscheidungen zu treffen: „Nicht jedes Mädchen, das mit zwölf ein Junge sein will, möchte mit 20 noch ein Mann sein.“
Neue Karriere: Vom Friseursalon zum Erotikmodell
Nach vielen Jahren in der Friseurbranche hat sich Larissa beruflich neu orientiert. Unter ihrem Künstlernamen „Larissa TS“ arbeitet sie heute als Erotikmodell und hat sich in der Szene einen Namen gemacht. Sie hat Fotoshootings in Berlin, bringt bald einen eigenen Kalender heraus und verkauft Merchandise mit ihrem Gesicht darauf.
Ihre Bekanntheit wächst: Bei der Erotik- und Tattoomesse in Stuttgart wird sie als Special Guest auftreten und sich mit ihren Fans austauschen. „Jetzt kann ich mich endlich voll entfalten“, freut sie sich.
Larissa Horn hat ihren Weg gefunden. Sie lebt ein glückliches Leben – nicht für andere, sondern für sich selbst. Und genau das macht ihre Geschichte so inspirierend.
Quelle: Südkurier