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Das Dilemma der Enttabuisierung
In der Gesellschaft wird häufig diskutiert, ob Tabus im Kontext der Sexualität notwendig sind. "Sex braucht Tabus" ist ein Begriff, der die Idee vertritt, dass Verbotenes eine besondere Anziehungskraft besitzt. Seit dem letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts wurde das Thema Sex immer stärker enttabuisiert und ist nun allgegenwärtig, in Medien, Werbung, Literatur und öffentlichen Diskursen. Diese Enttabuisierung führt jedoch nicht zu erhöhter sexueller Aktivität; im Gegenteil, es scheint, als ob das Interesse und die Lust auf Sex abnehmen.
Die Rolle von Tabus in der sexuellen Beziehung
Historische Entwicklungen der Sexualität und ihrer Tabus
Die kontinuierliche Enttabuisierung von Sexualität hat deutliche Spuren in der Beziehung der Menschen zu ihrer Sexualität hinterlassen. Historisch gesehen, besonders im Vergleich zur Situation seit den 1980er und 1990er Jahren, zeigen Studien, dass die sexuelle Aktivität in Deutschland abnimmt. Eine Untersuchung der Universität Göttingen ergab, dass 17 Prozent der befragten Männer und Frauen in festen Beziehungen während eines vierwöchigen Untersuchungszeitraums keinen Geschlechtsverkehr hatten.
Solche Trends scheinen darauf hinzudeuten, dass die Omnipräsenz von Sex in der Öffentlichkeit und die Abnahme von Tabus und Verboten im Zusammenhang mit Sexualität die sexuelle Aktivität und das Interesse beeinflussen können.
Der Verlust der Verbotenen Anziehung
Experten wie der Forscher Peter Fiedler von der Universität Heidelberg sind der Ansicht, dass die Abnahme der traditionellen Sexualmoral und ihrer damit verbundenen Verboten und Sanktionen zu einem Verlust an Interesse und sexueller Aktivität führt. Fiedler meint, dass gerade unerfüllte und oft verbotene oder tabuisierte sexuelle Wünsche und Bedürfnisse eine große Triebkraft besitzen.
Diese Einschränkungen und Verbote scheinen zur wechselseitigen Anziehung der Geschlechter beigetragen zu haben und waren essentiell für Kunstformen wie Literatur und Oper. Es wird argumentiert, dass diese Tabus eine notwendige Voraussetzung für eine "Kultur der Lüste" sein könnten.
Die Auswirkungen der Allgegenwärtigen Sexualität
Die andauernde und omnipräsente Darstellung von Sexualität in den Medien trägt dazu bei, dass ein wichtiges Element sexueller Lust und Begierde verloren geht. Auch wenn die öffentliche Darstellung von Sexualität weniger verdrängt wird und weniger neurotische Phänomene aufgrund von Konflikten zwischen Verbotseinhaltung und sexuellem Trieb auftreten, so sind Probleme mit der Sexualität weiterhin ein Konfliktthema.
Viele äußere Zwänge sind verschwunden, aber die inneren Zwänge, die Menschen im Privaten aufbauen, sind nach wie vor präsent. Der Soziologie-Professor Reimer Gronemeyer betont, dass die erotische Fantasie in der „Treibhausschwüle des sexualisierten Alltags“ nicht mehr zur Tat werden kann. Die ständige Präsentation des Themas Sex in der Öffentlichkeit führt dazu, dass die leidenschaftlichen Sehnsüchte verdämmern.
Tabus als notwendige Komponente sexueller Dynamiken
Die Dynamik zwischen Verbot und Verlangen in der sexuellen Landschaft der Gesellschaft prägt das Verständnis von Intimität und Begehren. Das Konzept "Sex braucht Tabus" reflektiert die Theorie, dass eine gewisse Geheimhaltung und Einschränkung das sexuelle Verlangen steigern kann. Mit der fortschreitenden Enttabuisierung der Sexualität scheinen Begehrlichkeiten und Aktivitäten paradoxerweise nicht zuzunehmen, sondern zu schwinden.
Evolution der sexuellen Tabus und Moralvorstellungen
Die sexuelle Enttabuisierung und die Evolution der Sexualmoral haben in der Geschichte der Menschheit eine zentrale Rolle gespielt. Die Freizügigkeit, welche seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Einzug hält, wirft Fragen zur Bedeutung und Funktion von Tabus in der Sexualität auf.
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Untersuchungen und Befunde aus unterschiedlichen Zeitepochen deuten darauf hin, dass trotz der offeneren Haltung gegenüber Sexualität und deren Praktiken, ein Rückgang der sexuellen Aktivität zu beobachten ist. Der Niedergang sexueller Beziehungen und die Frage nach den Ursachen werden in zahlreichen Studien und wissenschaftlichen Abhandlungen diskutiert.
Sexualität in der Literatur und den Medien
Das stetige Vordringen der Sexualität in die Literatur, die Medien und die Künste hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Praxis der Sexualität. Die verstärkte Präsenz sexueller Inhalte in der heutigen Gesellschaft, in der Kunst, Oper und Literatur, hat einerseits zu einer Verbreiterung des Diskurses beigetragen, führt aber auch dazu, dass das Mysterium und das Verbotene, die einst als Triebfedern der Begierde galten, verschwinden.
Die Kultur der Lüste scheint paradoxerweise durch die allgegenwärtige Präsentation von Sexualität beeinträchtigt zu werden, was durch die ständige Konfrontation mit sexuellen Darstellungen eine Sättigung und damit einhergehende Lustlosigkeit hervorruft.
Psychologische und soziale Dimensionen
Die Enttabuisierung und die ständige visuelle und diskursive Konfrontation mit sexuellen Themen führen zu einer Vielzahl von psychologischen und sozialen Herausforderungen. Die Reduktion von äußeren und inneren Konflikten aufgrund der Aufhebung von Verboten scheint nicht zu einem stressfreieren Umgang mit Sexualität zu führen. Vielmehr scheinen innerhalb der Gesellschaft neue Formen von Stress und Zwängen zu entstehen, die durch die übermäßige Präsenz sexueller Inhalte und die ständige Auseinandersetzung damit geprägt sind.
Das Dilemma zwischen sexueller Freiheit und der Entfremdung des Begehrens wird zunehmend zum Gegenstand der psychologischen und soziologischen Forschung.
Schlussfolgerung
Die Enttabuisierung von Sex hat zweifellos zu einem offeneren Diskurs und einer größeren Akzeptanz verschiedener sexueller Orientierungen und Praktiken geführt. Dennoch scheint es, dass "Sex braucht Tabus", um eine gewisse Anziehungskraft und ein Interesse an sexuellen Aktivitäten zu bewahren. Die Konfrontation mit Sexualität in allen Bereichen des öffentlichen Lebens kann zur Abnahme der sexuellen Aktivität und der Lust auf Sex führen, und die Rolle von Tabus in der Sexualität verdient eine gründliche und differenzierte Betrachtung.
Quelle: n‑tv