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Mein Gedankenspiel rund um die körperliche Liebe
Ist Sex mit Anhängern des Sadomaso wirklich anders?
Wir fahren mit dem Auto durch die dunkle Nacht. BunNyna sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz, im Radio düdelt leise die spanische Musik vor sich hin. Wir schweigen. Ich in meinem Gedankenspiel, sie – ich weiß es nicht. Das Gedankenhabitat fährt Karussell.
Dann fragt sich mich: „Haben SMer anderen Sex?“. „Ich… äääh.. ich glaube schon, also, kann sein“, antworte ich, „wie kommst du jetzt darauf?“. Sie ist ganz ehrlich: „Naja, du schläfst nur mit BDSMern. Warum?“.
Wir kommen gerade von einer Party. Hunderte Menschen in einem Raum, alle tanzen, feiern, trinken Alkohol. Und irgendwie wollen doch alle nur das eine. Sie bekommt mit, wie ich agiere. Ich ziehe die Aufmerksamkeit auf mich, wenn ich irgendwo hereinkomme. Ich halte Blickkontakt, wenn ein Mann mich ansieht. Doch ich gebe den Männern die Chance auf ein Gespräch und dennoch fallen sie alle durchs Raster. Ausnahmslos. Ich bin SMer und Stino-Sex langweilt mich. Nyna weiß das, und trotzdem passen die Dinge für sie nicht zusammen.
Sie weiß, dass ich ausschließlich mit dominanten Männern intim werde, was selten genug der Fall ist. „Wenn du dominant bist und er auch“, führt sie aus, „dann werdet ihr wohl kaum SM miteinander machen. Also gehe ich davon aus, dass es dann etwas rein Sexuelles ist“. Ich grinse in mich hinein. „Das ist korrekt“, entgegne ich. „Wenn du also nur Sex mit ihnen hast, warum dann keine Vanillas? Haben SMer anderen Sex?“. Ich schweige und gerate ins Grübeln.
Ein Gedankenspiel mitten in der Realität
Nach einer Weile des Überlegens komme ich zu folgendem Schluss: Es ist das Mentale, das mich reizt, das Gedankenspiel, der Kopffick, der dem körperlichen vorausgeht. SMer haben diese andere Ebene der Sexualität, die sich nicht auf das Körperliche beschränkt und dominante Männer wissen sehr genau, was sie wollen. Es ist das Katz- und Maus-Spiel, das wir spielen, es sind all die Gedanken, die Möglichkeiten, die Fantasien.
BunNyna weiß das, ich habe sie oft genug verliehen. Fast immer bin ich dabei, wenn ich sie in eine Session schicke, doch ich interagiere nicht, ich bin Beobachter, Aufpasser, Voyeur – Beschützer wenn es sein muss.
Einmal habe ich sie einem Stino gegeben. Den jungen Mann durfte sie sich selbst aussuchen, sie wählte einen großgewachsenen, attraktiven, freundlichen Burschen Ende Zwanzig. Er hätte alles mit ihr tun können an jenem Tag, und dennoch konnte er es nicht. Meine reine Anwesenheit brachte ihn so sehr aus dem Konzept, dass er einfach nicht abschalten konnte. Die mentale Ebene, die mich daran so sehr reizte, machte für ihn die Sache unmöglich.
„In Zukunft werde ich die Männer wieder für dich aussuchen“, sagte ich meiner Kleinen. Sie schien froh darum zu sein. Denn auch, wenn diese Männer nicht jung und knackig sind, so haben sie jedoch das Entscheidende: Die Männer, die ich aussuche, sind nicht nur in der Lage ihren Körper, sondern auch ihren Kopf zu ficken.
Im Gedankenspiel fickt er meinen Kopf
Ich selbst habe leider viel zu selten das Glück, Männern zu begegnen, die mein Spiel nicht nur spielen können, sondern es auch verstehen. Ein Gedankenspiel ist wie Fechten, dachte ich zunächst, wer trifft zuerst, wer verwundet sein Gegenüber, wer setzt zum entscheidenden Stoß an und siegt. Doch schnell verwarf ich diesen Gedanken wieder, denn „mein Spiel“ ist kein Gegeneinander, kein Kampf. Es ist viel eher ein psychologisches Kräftemessen. Es ist mehr wie Schach.
Man macht abwechselnd seine Züge, bereitet Angriffe vor, baut Verteidigungen auf. Doch was am allerwichtigsten ist: Neben der eigenen Taktik, die man im Geheimen verfolgt, gilt es auch die Taktik des Gegners zu durchschauen, zu agieren und zu re-agieren. Ihn zu verunsichern, ins Wanken zu bringen, und ja, auch ihn zu Fall zu bringen. Denn an nichts ergötze ich mich mehr als am mentalen Leid anderer Menschen, doch nicht kampflos möchte ich es bekommen, ich möchte es mir verdienen. Ich möchte ein faires und ehrliches Kräftemessen und den Sieg nicht geschenkt bekommen.
Nur die, die so sind wie ich, verstehen das. Nur Meinesgleichen beherrschen mein Spiel. Für „mein Gedankenspiel“, als „meine Partie“ kommen also nur Mentalsadisten in Frage, so wie ich einer bin. Ich glaube daran, dass es diese Männer da draußen gibt. Und ich weiß es. Ich habe nur noch so gut wie keinen von ihnen gefunden.
Kürzlich machte ich eine Bekanntschaft mit jemandem, der dieses Spiel nicht nur zu verstehen schien, sondern es augenscheinlich auch zu beherrschen wusste. Nachrichten kamen nicht unüberlegt, sondern folgten einem gewissen Schema. Er spielte mit Nähe und Distanz – und ich begann dieses Verhalten zu analysieren. Er versuchte, mich zu verunsichern, und ich verunsicherte ihn. Jeder Schritt war durchdacht, von seiner Seite wie von meiner. Was würde ich vorfinden, ließe ich mich auf eine Begegnung mit ihm ein?
Ist mein Gedankenspiel zu gewagt und gefährlich?
Dieses Spiel, welches ich spiele, ist gefährlich. Für mich wie für mein Gegenüber. Jemandem, dem man auf Augenhöhe begegnet, wirklich in den Kopf gehen zu können, bedeutet immer auch, denjenigen auch ein Stück weit in den eigenen Kopf vordringen zu lassen. Und was das bedeutet – das weiß man vorher nicht. Gegen psychologische Prozesse sind wir alle machtlos, sie zu verstehen ist die hohe Kunst. Doch wie weit kann man jemanden verstehen, der nicht denkt wie andere, der außerhalb der normalen Schemata denkt, der anders „tickt“?
BunNyna versucht dasselbe mit mir. Mich zu verstehen. So wirklich gelingen wird ihr das nie. Denn mein Denken, meine Wünsche, mein Gedankenspiel, mein Handeln, sind viel zu abstrakt, folgen keiner Regel, sind geprägt von Willkür und widersprüchlichem Verhalten. Ich frage mich manchmal, ob sie sich nach Ruhe sehnt. Ich weiß zeitgleich, dass sie an meiner Seite nie wirklich zur Ruhe kommen wird.
So komme auch ich selbst nie ganz zur Ruhe. Immer wieder habe ich Phasen in meinem Leben, in denen „mein SM“ einen weniger wichtigen Stellenwert einnimmt. In welchem ich still und zufrieden bin mit dem, was ich habe. Und dennoch weiß ich, es ist nur eine Frage der Zeit, bis mir per Zufall wieder jemand über den Weg läuft – egal ob Männlein oder Weiblein – auf den ich eine solch große Lust entwickle, dass eine Stimme in meinem Kopf ruft „SPIEL!“ – mit ihm oder ihr, nicht nur als Gedankenspiel. Diese Stimme ist zu laut, um sie ignorieren zu können.
Das Gesetz der Anziehung besagt: Gleiches zieht Gleiches an. Und ich glaube an diesen Fakt!