Kann ein Zwit­ter sich selbst schwängern?

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In­ter­se­xu­el­le Men­schen kön­nen sich selbst schwängern?

Un­ter ei­nem Herm­aphro­dit oder auch Zwit­ter­we­sen ver­steht man in der Re­gel ei­ne Le­bens­form, die so­wohl männ­li­che als auch weib­li­che Ge­schlechts­merk­ma­le oder auch ‑or­ga­ne vor­weist. Die­ses Phä­no­men kommt so­wohl in der Men­schen- als auch in der Tier­welt vor. Häu­fig stel­len Men­schen sich die Fra­ge, ob ein Zwit­ter sich selbst schwän­gern kann. In­dem Be­griff und Be­din­gun­gen der ver­meint­li­chen Zwei­ge­schlecht­lich­keit hier et­was nä­her be­trach­tet wer­den, wol­len wir dar­le­gen, ob Zwit­ter sich wirk­lich selbst schwän­gern können.

Kann ein Zwitter sich selbst schwängern?In­ter­se­xua­li­tät in Mensch- und Tierwelt

Der Un­ter­schied zwi­schen In­ter­se­xua­li­tät und Herm­aphro­di­tis­mus ist nicht nur ei­ne be­griff­li­che Spitz­fin­dig­keit. Un­ter ers­te­rem wird in der Me­di­zin die bio­lo­gisch un­deut­li­che Aus­prä­gung ei­nes ein­zel­nen Ge­schlech­tes ver­stan­den. Dies kann in der Pra­xis bei­spiels­wei­se auf ei­nen Men­schen zu­tref­fen, der bei sei­ner Ge­burt so­wohl über männ­li­che als auch weib­li­che Ge­schlechts­or­ga­ne ver­fügt, be­zie­hungs­wei­se über je­weils un­voll­stän­dig ent­wi­ckel­te Ge­schlechts­or­ga­ne. Als in­ter­se­xu­ell kann aber auch gel­ten, wer chro­mo­so­ma­le, ge­ne­ti­sche oder hor­mo­nel­le Auf­fäl­lig­kei­ten auf­weist, die auf ei­ne bio­lo­gisch teil­wei­se Mehr­ge­schlecht­lich­keit hinweist.

In der Mit­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts wur­den vor al­lem bei Neu­ge­bo­re­nen mit weib­li­chen und männ­li­chen Ge­schlechts­or­ga­nen noch ge­schlechts­an­glei­chen­de Ope­ra­tio­nen durch­ge­führt. Bei ei­nem un­voll­stän­dig aus­ge­präg­ten Pe­nis, ei­nem nicht voll­stän­dig zu­sam­men­ge­wach­se­nen Ho­den­sack und gleich­zei­ti­gem Vor­han­den­sein ei­ner Ge­bär­mut­ter samt Ei­er­stö­cken hat man dem­entspre­chend häu­fig den Pe­nis chir­ur­gisch auf ei­ne Kli­to­ris ver­klei­nert, eben­falls chir­ur­gisch ei­ne Va­gi­na ge­stal­tet und die Ho­den entfernt.

Men­schen, die nach ih­rer Ge­burt oder im Kin­des­al­ter ei­nen sol­chen Ein­griff er­fah­ren ha­ben, le­ben in der Re­gel ihr Le­ben lang mit ei­nem hor­mo­nel­len Un­gleich­ge­wicht, das mit Me­di­ka­men­ten aus­ge­gli­chen wer­den muss. Da Hor­mo­ne ei­nen wich­ti­gen Fak­tor bei der Frucht­bar­keit stel­len, liegt schon hier der Ver­dacht na­he, dass sich Zwit­ter nicht selbst schwän­gern können.

In Deutsch­land be­hält die Ge­set­zes­la­ge es den El­tern ei­nes Kin­des vor, bei Nicht­ein­deu­tig­keit das Ge­schlecht fest­zu­le­gen und ent­spre­chen­de Ope­ra­tio­nen frei­zu­ge­ben. Mit Voll­endung des 18. Le­bens­jah­res kann je­doch je­der Mensch in Deutsch­land sein Ge­schlecht selbst wäh­len, un­ab­hän­gig von den El­tern. In­ter­se­xu­el­le Men­schen kön­nen seit ei­ner An­pas­sung des Per­so­nen­stands­rech­tes im De­zem­ber 2018 zwi­schen den for­mel­len Ka­te­go­rien "männ­lich", "weib­lich" und "di­vers" wäh­len. Zu­sätz­lich kann der Ein­trag bei Ge­burt zu­nächst auch noch kom­plett frei blei­ben, al­so gar kein Ge­schlecht an­ge­ge­ben werden.

Pseu­do­herm­aphro­di­tis­mus und Herm­aphro­di­tis­mus – der fei­ne Unterschied

Aber wie steht es an­ge­sichts un­kla­rer Kör­per­aus­prä­gun­gen oder Hor­mon­spie­gel nun um die Fra­ge, ob ein Zwit­ter sich selbst schwän­gern kann? In der Tier­welt exis­tie­ren durch­aus "rich­ti­ge" Zwit­ter­we­sen. Re­gen­wür­mer, Qual­len, Ko­ral­len und man­che Schne­cken­ar­ten kön­nen sich tat­säch­lich selbst zur Mut­ter ma­chen, oh­ne auf ei­nen Art­ge­nos­sen zu­rück­zu­grei­fen. Bei Fi­schen und Säu­ge­tie­ren kommt die­ses Phä­no­men nur sel­ten vor und ent­spricht dem Pseu­do­herm­aphro­di­tis­mus, wie er auch bei Men­schen auftritt.

Der Zu­satz "Pseu­do" wird da­bei ver­wen­det, weil nur äu­ßer­lich der Ein­druck er­weckt wird, dass ei­ne funk­ti­ons­fä­hi­ge Zwei­ge­schlecht­lich­keit vor­liegt und sich der ent­spre­chen­de Zwit­ter nicht selbst schwän­gern kann. Me­di­zi­nisch sind die je­wei­li­gen Or­ga­ne da­bei nie voll­stän­dig funk­ti­ons­fä­hig. Ho­den bei Zwit­tern pro­du­zie­ren bei­spiels­wei­se kein frucht­ba­res Sper­ma, Ei­er­stö­cke kei­ne Ei­zel­len oder der Hor­mon­haus­halt sorgt für ei­ne ge­ne­rel­le Unfruchtbarkeit.

Selbst­be­fruch­tung – kann ein Zwit­ter sich selbst schwängern?

Nein – ein Zwit­ter kann sich al­so nicht selbst schwän­gern, un­ter an­de­rem weil da­für al­le Ge­schlechts­or­ga­ne voll­stän­dig funk­ti­ons­fä­hig sein müss­ten. Ein Mensch kann, auch wenn er in­ter­se­xu­ell ge­bo­ren wird, al­so nicht schwan­ger von sich selbst wer­den. In der Ge­schich­te der Me­di­zin ist kein ein­zi­ger Fall über­lie­fert, in dem ein mensch­li­cher Zwit­ter sich selbst schwän­gern konn­te. Meist herrscht die Vor­stel­lung, dass mensch­li­che Zwit­ter so­wohl über ei­nen voll­stän­dig ent­wi­ckel­ten Pe­nis ver­fü­gen, als auch über ei­ne voll­stän­dig ent­wi­ckel­te Vagina.

Be­trach­tet man je­doch die Ent­wick­lung des Em­bry­os im Mut­ter­leib un­ter der Lu­pe, wird schnell deut­lich, dass die­se je­wei­li­gen Ge­schlechts­tei­le un­mög­lich gleich­zei­tig her­an­wach­sen kön­nen, oh­ne ih­re Fort­pflan­zungs­fä­hig­keit zu ver­lie­ren. Und oh­ne sel­bi­ge kann ein Zwit­ter sich nicht selbst schwängern.

Kann ein Zwitter sich selbst schwängern?Die Ent­ste­hung des Ge­schlech­tes beim Embryo

Et­wa in der fünf­ten Schwan­ger­schafts­wo­che be­ginnt die Ent­wick­lung des Ge­schlechts bei ei­nem un­ge­bo­re­nen Kind. Die Bau­an­lei­tung für die­sen Vor­gang stel­len die Chro­mo­so­me – Jun­gen be­sit­zen ein so­ge­nann­tes X und ein Y‑Chromosom, wäh­rend Mäd­chen zwei X‑Chromosome be­sit­zen. Aus ei­ner an­fäng­li­chen Wöl­bung wächst bei Mäd­chen die Kli­to­ris her­an und auch die in­ne­ren und äu­ße­ren Scham­lip­pen. Bei Jun­gen wei­tet sich die­se Wöl­bung stär­ker und lässt letzt­lich Pe­nis und Ho­den­sack entstehen.

Die äu­ße­ren Scham­lip­pen bei Mäd­chen be­stehen aus dem sel­ben Grund­mo­dell wie die Haut des Ho­den­sacks bei Jun­gen. Bei ih­nen wächst die Haut schließ­lich zu­sam­men und um­schließt da­mit die Ho­den. Die Harn­röh­re bei Jun­gen, die durch den Pe­nis ver­läuft, ent­steht aus dem sel­ben Ma­te­ri­al, dass die in­ne­ren Scham­lip­pen bei Mäd­chen formt.

Die zur Fort­pflan­zung un­ab­läs­si­gen Keim­drü­sen bil­den sich ab der sieb­ten Schwan­ger­schafts­wo­che. Die fi­na­len weib­li­chen Keim­drü­sen sind Ei­er­stö­cke, die männ­li­chen Keim­drü­sen sind die Ho­den. Bei­de sind im Un­ter­leib zwar et­was un­ter­schied­lich plat­ziert, wach­sen aber eben­falls aus der sel­ben Grund­men­ge. Der chro­mo­so­ma­le Bau­plan gibt da­für die Vor­ga­ben. Im Ur­sta­di­um sind die Keim­drü­sen noch ge­schlechts­neu­tral – je nach Vor­han­den­sein der Chro­mo­so­me bil­den sich dar­aus dann männ­li­che oder weib­li­che Drüsen.

Wenn die­se Ent­wick­lung feh­ler­haft oder un­voll­stän­dig ver­läuft, ent­steht ein in­ter­se­xu­el­ler Mensch. Mit ei­ner un­voll­stän­di­gen Ent­wick­lung geht ein­her, dass die Fä­hig­keit zur Fort­pflan­zung nicht ge­währ­leis­tet ist – ein Zwit­ter kann sich selbst al­so nicht schwängern.

Bei den zu­vor an­ge­führ­ten Fäl­len in der Tier­welt ist die Zwei­ge­schlecht­lich­keit hin­ge­gen chro­mo­so­mal vor­ge­ge­ben – die Tie­re ent­wi­ckeln kor­rek­ter­wei­se al­le er­for­der­li­chen Or­ga­ne und Drü­sen, die ei­ne Selbst­be­fruch­tung mög­lich ma­chen. So ein wahr­haf­ti­ger Herm­aphro­dit be­zie­hungs­wei­se Zwit­ter kann sich wirk­lich selbst schwängern.

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