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Mittelfinger hoch! Filmtechnik für Amateure
„3, 2, 1… und los geht’s!“ Kamera läuft, ich dirigiere das Gerät oder einen Assistenten durch die Szene. Mittlerweile etwa hundert Mal, schätze ich. Ich bin Quereinsteiger als Produzent. Ganz ehrlich? Ich wusste zunächst mal so gar nicht, was ich da mache. Nicht mal Grundbegriffe von Kamera‑, Licht‑, Ton- oder Filmtechnik waren mir bekannt; geschweige denn Mittel und Methoden der „formalen“ Filmentwicklung.
Der Leser sei vorgewarnt: Wer hier Ausführungen aus der Profiliga erwartet, der wird bitter enttäuscht werden. Ich rede über Produktion so intuitiv und schmal erfahrungsgestützt wie all die ganzen privaten MyDirtyHobby-Filmer eben auch. Der Unterschied? Ich kann hier über meine Erfahrungen schreiben. Ich habe ein gewisses ästhetisches Vermögen und eine ganz solide Auffassungsgabe. Mein Bewertungskriterium ist das eigene Auge, das in hunderten, tausenden, womöglich hunderttausenden Porno-Clips geschult wurde.
Pornographische, sagen wir: Filmqualität fasziniert mich, seit ich etwa 11 oder 12 gewesen bin. Darin bin ich gut und interessiert gewesen und dieses Hobby am Puls der Zeit hat mir unter anderem die Türen geöffnet zu meiner Arbeit bei der Erotik-Filmagentur Eronite Movie Productions. Produktionsleiterin Hera Delgado hat von Anfang an auf mein Entwicklungspotential gesetzt und mich ins kalte Wasser geworfen, als gäbe es kein Morgen mehr.
Zehntausende Euro Studiokapital sind Murks
Der Vorteil: Sie hat einen Jungen „aus dem Volk“ der heimischen PC-Wichser. Ich denke und empfinde genau wie die anderen soziopathischen Frauenverehrer und Frauenhasser, die sich aufgeilen auf Tube-Kanälen, kostenpflichten Portalen, DVD und Blu-Ray: Auf die kleine blonde Ami-Amateurin vom Handyfilm, das Webcam-Girl mit Camcorder oder auf die osteuropäische semi-professionelle Produktion mit Studiobeleuchtung und Doku-Kamera. Zu Anfang hatte ich Sorge, daß ich womöglich bei der Professionalität der Erotik-Branche nicht mithalten könnte. Aber ich weiß, seit ich gemeinsam mit anderen namhaften Produktionsfirmen gedreht habe, wo bei 27 Grad Zimmertemperatur (Bauleuchter + acht Leute im Raum + Vögelei) dann doch mal die T‑Shirts ausgezogen wurden, während ungelenk irgendwelche vollautomatisierten Spiegelreflex-Kameras mit Gaffa-Tape-gestützten Kopflichtern durch die Gegend geschwenkt wurden: Wir kochen alle nur mit Wasser.
Auch die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. Tausende Euro Studiokapital sind Murks, wenn vor der Kamera eine eklige, publikumsuntaugliche Fotze glänzt und rote Augen einen anglotzen, weil die Beleuchtung unglücklich gesetzt ist. Außerdem: Das deutsche Publikum mag es „amateurhaft“. Viele traditionelle Konsumenten verschreckt es schon, wenn bloß das Wort „Agentur“ bei der Produktion auftaucht. Selbst wenn es kaum einen filmerischen Unterschied macht, ob der gute Bekannte oder der Rafael Santeria die Kamera führt. Also sind Fehler erlaubt, ja sogar erwünscht. Und noch einmal: Eine 2500-Euro-Kamera vom Verleih bringt nur dann Vorteile, wenn man die Handhabung beherrscht. Wir werden darauf zurückkommen.
Ich habe von meiner ersten Produktion bis zu den aktuellsten verschiedene Kamera- und Lichttechnik ausprobiert. Ton habe ich fast komplett vernachlässigt. Die Ergebnisse waren sehr überraschend, aber günstig für mich als semi-professionellen Produzenten. Und: Günstig für Amateure, die in Deutschland weite Teile der Erotik-Landschaft abdecken. Ich darf also Erfahrungen vorlegen, die den finanziellen Möglichkeiten, der Vorerfahrung, der Infrastruktur und dem Personalrahmen der meisten Laien entsprechen.
Drehtag 1 – Hollywood in der Gangbang-Bude
Meine Produktionsbiographie beginnt mit höchsten Ansprüchen: Alles soll stimmen und dem Niveau der bisherigen Produktionen aus dem Hause Eronite entsprechen. Am Drehtag selbst haben wir eine Lady und zwei erfahrene Gangbanger am Start, die in einer Privatwohnung eine Dreierszene hinlegen dürfen. Ich leihe zwei sony AX2000: Diese Dokumentarkameras kosten meines Wissens im Neukauf zwischen 2000 und 3000 Euro. Profiequipment im mittleren Sektor, schätze ich. Man hat einen großen Aufbau in der Hand, Schwenkbildschirm, vielfältige Einstellungsmöglichkeiten, das Ding sieht einfach imposant aus und erfordert ein gewisses Know-How.
Als mir die Kamera mal mit ausgeschaltetem Steady-Mode (Bildstabilisator) überlassen wurde, habe ich eine geschlagene Stunde mit Telefonanrufen und Internetrecherche gebraucht, um das Problem zu beheben – und dann wusste ich immer noch nicht den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Modi, die zur Auswahl standen. Für einen Laien wie mich erfordert das eine große Einarbeitung. Außerdem kosteten die Kameras pro Tag Leihgabe (auf einem Samstag Abend kommt noch der Sonntag als halber Tag hinzu) dreißig Euro pro Stück, ganz zu schweigen von einer Neuanschaffung. Wir haben zwei Kameras im Einsatz gehabt. Zwei halbwegs erfahrene Jungs trugen die Geräte unter meiner Aufsicht. Sie machten ihren Job gut.
Kameraführung passte, sie nutzten die schmalen Lichtbedingungen bestmöglich. Wir haben nämlich lediglich eine Tageslichtlampe mit Streuaufsatz im Einsatz gehabt. Später wird man mir verraten, dass es sinnvoll ist, mindestens zwei Lampen zu kombinieren, um Schattenwurf zu reduzieren. Eigentlich soll die automatische Bildaufhellung von den AX2000 einigermaßen ausgleichen. Die Ergebnisse waren unterm Strich gut, aber nicht überragend. Die Bilder sind dunkel und haben insgesamt eine „gräuliche“ Atmosphäre. Auch der Profi-Cutter kann in der Nachbearbeitung nur ein wenig aufwerten.
Alles in allem erweist sich bei meiner ersten eigenen Regie, dass die Beschäftigung von externen Kameraleuten mit hochwertigem Equipment nur dann Sinn macht, wenn Profis am Werk sind. Und selbst dann: Ich habe viel Material gesehen, dass von Leuten mit wirklich gutem Ruf aufgenommen wurde – für mich als Konsument war es Rotz. Unerotisch, überlichtet, Kamera halb im Muttermund der Darstellerin steckend: Da kann die Filmqualität noch wie fein sein, für den normalen fernsehverwöhnten Konsumenten ist das trotzdem offensichtlich Unterklasse. Im pornographischen Bereich wird es eventuell toleriert. Aber dann kann man es auch direkt mit einfachen Mitteln angehen. Man spart sich Geld, Personal und Arbeitsaufwand.
Drehtag 2 – Back to the basics
Nach den ersten Anläufen mit total urplötzlich untertauchenden technischen Assistenten, besinne ich mich auf meine persönliche Lebensphilosophie: Den Minimalismus. Ich verfolge in allen Bereichen den Ansatz, meine Ziele mit den einfachsten Mitteln zu verfolgen: Weniger und einfacher wird immer bevorzugt. Also sichte ich die Bestände: Eine Canon Spiegelreflex EOS 1100D – O‑Ton Fototechniker: „Antiquität!“. Außerdem: Zwei Bauleuchter Modell Flectalux 2000 XM – so weit ich weiß stammen die 2000-Watt-Granaten noch aus Zeit von Super 8. Schon eins dieser dreistufig justierbaren Dinger kann einen Raum von 15 Quadratmetern strahlend weiß ausleuchten – so hell, dass nicht mal mehr Schatten an die Wand fallen, weil es zu stark reflektiert. Mit anderen Worten: Wer altmodische Bauleuchter nutzt, hat zwar Temperaturen einer aufgedrehten Heizung und eine horrende Stromrechnung – aber die Lichtqualität hängt jeden LED-Leuchter ab.
Dadurch kann selbst eine mittel- oder unterklassige Kamera zu Höchstleistung auflaufen. Ich habe mit manueller Schärfe bei dem alten Canon-Brocken eine bessere Bildqualität erreicht als bei den zuvor genutzten sony-Kameras. Leider erweisen sich die beiden Strahler als sehr unzuverlässig, weil einer recht oft überhitzt und dann automatisch abschaltet und das andere Gerät nach dem Durchbrennen keine neue Birnen kriegen kann – Ersatz ist bei Produkten aus der Vorwendezeit dann doch ein bisschen tricky.
In diesem Zeitraum meiner Arbeit entstehen einige hervorragende Clips und DVDs, u.a. mit den Amateurinnen Mangamaus Miku, Joy Bailey und Sexy Janin. Die Ergebnisse dieser Phase sind allemal DVD-tauglich und für die amateurorientierten Portale schon fast eine Nummer zu hochwertig. Dennoch ist diese einfache Grundlage Spiegelreflex/Bauleuchter gerne mein Markenzeichen für handgemachte authentische Pornos.
Drehtag 3 – Apple does the job
Während unserer Experimente mit der Canon haben wir erstmals einige Zweitkameras genutzt: Einmal war eine Digitalfotokamera im Hintergrund aufgestellt, an anderen Tagen wurden Handykameras bemüht. Die Ergebnisse aus den HTCs und der Digi-Cam sind nahezu vernachlässigbar. Auch ein iPhone 5 kam zum Einsatz. Zu unser aller Überraschung gab uns der Cutter das bislang beste Feedback für die Aufnahmen aus dem iPhone. Ich habe mich daraufhin oberflächlich informiert, worin das „Besondere“ der Apple-Technik liegt. Kurzversion: Die Linsentechnik vom iPhone ab Generation 5 hängt selbst die meisten handelsüblichen Billig-Camcorder ab. Während andere Handyhersteller wie z. B. Samsung vor allem auf einen Faktor wie hohe Pixelzahlen setzen, kann Apple mit einem komplexen Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren den Markt in Sachen Kameratechnik anführen.
Heißt im Klartext: Wir haben eine HD-Kamera mit hervorragender Bildstabilisierung – ich verstehe bis heute nicht, wie sie so gut funktioniert – und einem optimalen automatischem Fokus, der sich dank Touchscreen kinderleicht bedienen lässt. Das Gerät hat uns bisher bei allen Gelegenheiten voll überzeugt: Selbst die schlechtesten Lichtverhältnisse gleicht das iPhone bestmöglich aus, ganz zu schweigen davon, wenn gute externe Lichtquellen im Spiel sind. Zur Not gibt’s immer noch das kameraeigene Kopflicht, das selbst auf tiefdunklen Parkplätzen gute Arbeit geleistet hat. Der Ton entspricht nach meinem Empfinden durchschnittlichen Camcordern – für Normalzwecke mehr als ausreichend.
Wenn man das Gerät quer hält, hat man das normale Bildformat, das für die DVD-Produktion notwendig ist. Und auf Amazon gibt’s eine kilometerbreite Palette von Stativen, Objektiven und allen anderen Gimmicks, die man auch für „normale“ Kameras bekommt. Ich habe keine Ahnung, wie ein studierter oder ausgebildeter Kameramann das beurteilt: Aber für mich als Betrachter meiner eigenen Produkte sind die Aufnahmen aus dem iPhone überdurchschnittlich. Aber wenn selbst Werbe- und Musikfilmer mittlerweile auf Apple setzen, dann müssen wir uns als Pornographen beim besten Willen nicht schämen.
Drehtag 4 – Wir mixen!
Natalie Hot: Schon mal gehört? Das ist eine messerscharfe Schönheit aus dem allertiefsten Oberbayern: Dicke Titten, deepthroatfähig, anal fickbar und die richtige Menge „Porno-Style“ im Gepäck. Mit ihr und ihrem Drehpartner George habe ich nach Monaten des Ausprobierens mehrere Tage gemeinsam produziert. Wir haben meine bisherigen „Favourites“ – Bauleuchter, Spiegelreflex und iPhone – zusammengeführt und gegen ihren Camcorder, Model sony HDR-PJ780, antreten lassen. Das kleine Geschoss hat eine Menge drauf: Schwenkbildschirm, einfache Bedienbarkeit, angenehme Haptik, klasse Bildqualität, kleiner Windschutz-„Puschel“ auf dem Mikro, kräftiges internes Kopflicht. Besonders beeindruckend: Die mechanische Bildstabilisierung.
Man darf sich das in etwa so vorstellen: Man nimmt den Camcorder, stellt ihn an und wirft ihn einmal quer durch den Raum – in der entstandenen Aufnahme wird das Bild laaaangsam und völlig wackelfrei durch den Raum gleiten. Naja, ganz so gut vielleicht nicht, aber die kleine Mechanik um die Linse ist wirklich beeindruckend. Normale Handbewegungen, Zittern usw. werden beinahe unmerklich ausgeglichen. Bei guten Lichtverhältnissen (Bauleuchter!) haben wir so scharfe Aufnahmen bekommen, dass selbst bei zentimeternahen Close-Ups noch Hautfeinheiten kontrastiert waren.
In dieser Kombination waren die Produkte für unsere einfachen Verhältnisse beinahe unschlagbar.
Vorläufiges Fazit:
Für uns semi-professionellen Produzenten ist die Wahl einfacher Mittel die beste. Mit einem iPhone oder einem mittel- bis hochwertigen Camcorder bewaffnet überfordert man sich nicht und bekommt hochwertige HD-Aufnahmen, die sich auch für DVD-Produktionen sehen lassen können. Ein gewisser „Amateur-Charme“ bleibt auch erhalten. Noch ein Vorteil: Das Heimstudio ist in der Handtasche tragbar und somit kann man sehr flexibel und auch mal spontan aufnehmen. Wir haben für die kommenden Monate noch vielfältigen Feinschliff vorgesehen. Gerade im Lichte unserer Zusammenarbeit mit der neuen Exklusivdarstellerin TS Kimber Lee, der 19-jährigen Trans-Paris Hilton, möchten wir die Qualität der Arbeit Stück für Stück anheben. Bis dahin bleiben mein Team und ich die In-die-Hände-Spucker der Szene, die mit einem Mittelfinger hoch und einer Spiegelreflex von 2011 noch mehr Style haben als der Rest. Noch irgendwelche Fragen?
(Zuerst erschienen in der Ausgabe 09/2014 des Branchenmagazins AWMpro)