Ein Einstieg in die Porno-Branche bei der Erotikmesse "Venus 2013"
Verschlafen! Das fängt ja gut an! Ich tippe hektisch ins Handy: "Ist 12 Uhr auch ok?" Die Antwort von Hera Delgado kommt prompt: "Nein, gib Gas!" Um 11.30 Uhr stehe ich am 17.10.2013 mit einer Brötchenhälfte in der einen und drei Taschen in der anderen Hand vor dem Haupteingang der Venus Messe und werde von Hera mit strengem Blick begrüßt: "Zur Strafe bist du mein persönlicher Taschenträger für die nächsten Tage!", kommentiert sie und drückt mir das Etui mit dem Eronite-Logo vor die Brust. Es folgt ein Augenzwinkern, denn trotz der kleinen Verspätung lässt Hera mich nach ein paar Minuten Smalltalk wissen, dass man in der Chefetage mein Engagement zur Kenntnis genommen hat: "Ich bin wahnsinnig froh, dass du bei uns gelandet bist. Wir möchten dich gerne auf breiterer Ebene in das Unternehmen integrieren."
Was nun folgt, hätte ich im Leben nicht erwartet: "Wir möchten, dass du unseren Mainstream-Bereich übernimmst. Ich werde dich die nächsten zwei Tage auf der Venus allen wichtigen Leuten als Verantwortlichen von EROdays vorstellen." Für alle, die nicht wissen, was das heißt: Eronite untergliedert sich in die drei Sparten EROnight für BDSM-Content, EROteur für Amateur-Filme und eben EROdays für den kompletten Hardcore/Reality-Porno: Mir wird nach drei Monaten Mitarbeit ein Drittel der Produktion zur freien Verfügung gestellt. Ich kann es gar nicht fassen. Hera sieht mich mit vertrautem Lächeln an: "Du bist ein echter Glücksgriff!"
Es dauert einige Stunden, bis mir klar wird, was gerade geschehen ist: Hera präsentiert mich auf der Venus sämtlichen Freunden, freien und festen Mitarbeitern von Eronite als neuen Vertreter von EROdays. Ich schüttle die Hände von Profi-Vertriebsleuten, Anwälten, bekannten Schauspielern und vielen, vielen extrem heißen Pornodarstellerinnen. Zwischen den Terminen, unzähligen Gesprächen mit Bekannten des Unternehmens und kleinen und großen Messeaufgaben erklärt mir Hera Schritt für Schritt die Organisation von Eronite und meine Aufgaben. Wiederum: Es dauert eine ganze Weile, bis ich erfasse, wie weitreichend ab jetzt meine Beteiligung ist: Ich soll ein Team zusammenstellen, Drehorte und Technik organisieren, den Kontakt mit Darstellern herstellen und verantworten, Termine finden, die Regie leiten, Öffentlichkeitsarbeit, Venus besuchen, und, und, und…
Mit dem Label von Eronite auf dem T‑Shirt und ein paar Visitenkarten von Hera in der Tasche entstehen schnell Kontakte: Die Darstellerinnen vertrauen der Firma wegen ihres guten Rufs. Zig Leute erkundigen sich bei mir, was es Neues bei uns gibt, wollen Hera sprechen, unterbreiten Ideen und Angebote für Zusammenarbeit. Nach einigen Stunden auf der Venus Messe brummt mein Kopf. Zwischen den Titten bezaubernder Promo-Mädchen und den unendlich vielen Eindrücken der Firmenarbeit entsteht langsam ein wohliges Gefühl in meinem Bauch: Jetzt geht's richtig los, ich bin wirklich im Porno-Business! Nach acht Stunden fahren Hera und ich schnell nach Hause.
Ab 21 Uhr sind wir eingeladen: Hera ist für ihre herausragende Arbeit in der Kategorie "Beste Produktion" der begehrten Venus Awards nominiert. Die Verleihung findet im Ellington Hotel in Berlin-Charlottenburg statt. Als ich dort in Abendgarderobe auftauche, wird mir überhaupt erst klar, was mich erwartet: Neben einem roten Teppich stehen Fotografen, Mitarbeiter eines renommierten Berliner Sicherheitsunternehmens in dunklen Anzügen regulieren den Einlass, Minute um Minute fahren Sportwagen, Limousinen und teure Firmenwagen vor und entlassen elegant gekleidete Männer und Frauen. Einige der Mädchen tragen aufwändige Ballkleider, andere lassen richtig Haut sehen und verhüllen nur das Nötigste mit teurem Designerstoff. Als Hera und ich den Festsaal betreten, fallen mir beinahe die Augen raus: Über den Raum sind hunderte Rundtische mit gläsernen Kerzenleuchtern und teurem Geschirr verteilt. Dutzende Catering-Mitarbeiter wuseln zwischen den Tischen umher und bereiten das mehrgängige Menü vor.
Nach wenigen Minuten tritt kein geringerer als Conny Dachs ans Mikrofon und begrüßt die Gäste. Mit ihm für die Moderation zuständig: Mia Magma, die ehemalige Pornodarstellerin und heutige Entertainerin. Nach ein wenig Geplänkel folgen die ersten Verleihungen. Meine Konzentration ist nicht besonders hoch – ich warte vor allem auf die "Beste Produktion". Zwischen den Verleihungen des Venus Awards gibt es Vorspeise, Hauptmenü und ein Dessert: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal derartig hochwertig gegessen habe. Dazu gibt es in den Pausen Striptease- und andere Showeinlagen. Ich sitze also im Anzug auf einer Gala zwischen einer namhaften Fetisch-Regisseurin und anderen hochrangigen Vertretern der deutschen Porno-Branche, esse ein Dessert vom Szene-Caterer und beobachte Asiatinnen dabei, wie sie sich auf einer Bühne ausziehen: Mit Verlaub, ich habe die eine oder andere richtige Entscheidung in meinem Leben getroffen. Zwischen den Besuchern entdecke ich immer wieder mir bekannte Sternchen der Porno-Szene. Ich lehne mich zu Hera rüber und flüstere: "Ich habe noch nie mit so vielen Leuten in einem Raum gesessen, von denen ich weiß, wie sie mit Sperma im Gesicht aussehen…" Hera lacht und erwidert mit Hinblick auf die Venus-Award-Gewinner: "Ich stelle mir vor, dass du in ein paar Jahren auch dort vorne stehen kannst."
Es ist fast Mitternacht, als unsere Kategorie an der Reihe ist. Hera ist gelassen. Für sie als Erfahrene ist der Ausgang der Nominierung für den Venus Award nicht so aufregend wie für mich, dem all das hier neu ist. Wir haben es nicht geschafft. Nach den Eindrücken des ersten Tages frustriert mich das nicht sehr. Ich habe die ganze Zeit beobachten können, wie es um Heras Reputation steht: Eronite steht für Hochklasse-Pornographie und das weiß jeder. Wir lassen den Abend ausklingen. Gegen 1 Uhr fahre ich nach Hause. Die Nacht kann ich kaum schlafen, denn vor meinem inneren Auge gehe ich die tausenden Eindrücke und meine vielen Ideen für die zukünftigen EROdays-Produktionen und andere Projekte durch.
Am Tag 2 unseres Ausflugs sind Hera und ich bereits ganz schön erschlagen. Immerhin reist sie für solche Veranstaltungen mal eben aus dem Ausland an und ich bin den "Betriebsrhythmus" eines Fachmessebesuchs noch nicht gewöhnt. Auch heute stehen wieder zahlreiche Termine auf der Venus mit Darstellern und Geschäftsfreunden an. Hera und ich machen uns unabhängig voneinander, denn ich habe über die letzten 24 Stunden bereits genug Kontakte gesammelt, um mich beschäftigt zu halten. Da ich ja bereits seit ein einigen Jahren privat im "erotischen Berlin" unterwegs bin, treffe ich auch persönliche Bekannte. Ich tausche Telefonnummern und Visitenkarten, brainstorme mit den Leuten über mögliche Projekte und mache mich mit den Gepflogenheiten bekannt. Zwischenzeitlich flirtet die ein oder andere Messebesucherin in meine Richtung – ich tue das Nötigste, die Damen auf Abstand zu halten: Bei Eronite besteht man auf die professionelle Distanz. Zugegeben: Ich liebe den erotischen Lifestyle und muss mir das ein oder andere mal auf die Lippen beißen, aber auch diese Spannung hat ihr Reizvolles.
Zwischenzeitlich tauschen Hera und ich Updates aus: Ich habe eine Drehlocation organisiert und mich mit ein paar Darstellerinnen und Darstellern angefreundet, Hera hat reichlich Gespräche geführt, die ihren Produktionsbereich bei EROnight betreffen. Wir schlendern noch ein paar Runden durch die Messe und verabschieden uns bei den verschiedenen Kontakten. Als kleines Geschenk besorgt Hera mir noch zwei Karten für die Venus-Aftershow-Party am Samstag Abend im Berliner Adagio. Lucy Attano, unsere zweite Volontärin, und ich sollen dort Gesicht zeigen.
Zum Abschied bedanke ich mich nochmal ausführlich bei Hera für alles. Am Ende des Messebesuchs stehe ich mit einer eigenen Produktionssektion in den Händen da. Und ich habe bereits jetzt zahlreiche Ideen, wie ich mich in einzelnen Schritten an die neue Verantwortung heranwagen kann. Gemeinsam mit den anderen Neuen von Eronite werden wir die Produktionslinie in gewohnter Qualität weitertragen. Wir alle freuen uns auf das Jahr 2014!