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Kein Schwanz ist eine Pistole oder ein Machtinstrument
Kein Mordwerkzeug: Der Schwanz
Es gibt da ein generelles Missverständnis, wenn es um das Genussteil des Mannes geht – der Schwanz als Zauberstab oder doch als Kontrollinstrument? Da haben sich Assoziationen und Bilder etabliert, die längst in die Archive barbarischer Zeiten verbannt gehören.
Der Schwanz als Zauberstab
Entstanden dürfte das sein, weil da eine generelle Faszination für den Schwanz und seine Ejakulation besteht. Welcher Mann hat nicht als Junge irgendwann seinen Zauberstab entdeckt? Welcher Junge hat nicht irgendwann fasziniert beobachtet, wie sich sein Schwanz aufrichtet, pulsiert, und bei Berührung den ganzen Körper zum Kribbeln bringt? Und dann das Phänomen, dass im Moment größter Ekstase eine glitschige, weiße Flüssigkeit in Schüben aus dem Schwanz gepumpt wird. Wer hätte sich davon nicht gerne mit- und wegreißen lassen? Das ist eine große Sache. In ihrer Tragweite geradezu anbetungswürdig. Steckt doch dahinter so viel mehr als nur eine körperliche Aktion.
Welcher Junge hat jemals gelernt, über seine schönen Gefühle dabei zu reden? Und eine Frau ist dabei noch nicht einmal im Spiel. Welcher Junge wurde nicht groß mit einer sonderbaren Schizophrenie, dass das etwas Wunderbares stattfand, doch es galt es darüber „männlich“ zu reden. Mit männlicher Coolness, ja, fast mit einer Distanziertheit, als hätte „das alles“ nichts mit ihm zu tun. Weder gab es eine Offenheit noch einen Wortschatz, der sensibel männliche Gefühlswelten ausdrücken hätte können.
Ein Wettkampf der totalen Kontrolle
Speziell im Umfeld anderer Jungs galt es, sich nicht anmerken zu lassen, dass man(n) Zeuge von etwas wurde, was größer war als das eigene Verständnis und Wissen. Bloß nichts anmerken lassen, dass da etwas stattfindet, das die Welt aus den Angeln heben konnte und die Konstrukte der Gesellschaft ausradierte.
Denn das ist, was letztlich durch Sex geschieht: Eine Macht übernimmt Kontrolle, die weder von Staat, Eltern, Gesellschaft, und am wenigsten von Kirchen entkräftet werden kann. Egal wie groß die Tabus sein mögen: Die Lust findet die Lücke, durch die sie schlüpfen und einen Mensch aus der Fassung bringen kann. Und galt es nicht gerade für gesellschaftlich geprägte Männer bzw. Jungs, erhaben, groß, stark, und in totaler Kontrolle zu sein? So lernen Jungen zwar nicht ihre Lust kennen oder zu beherrschen, aber ihren Ausdruck und ihren Umgang mit Sexthemen und Sexpartnern. Statt Eintauchen in die Lust findet ein Wettkampf der Kontrolle statt, in den auch Sexpartnerinnen oder Sexpartner gerissen werden. „Wenn ich schon nicht meine Lust beherrschen kann, so wenigstens meine Sexpartner“. Doch ist der Schwanz noch immer keine Pistole, mit der die Lust in Schach zu halten wäre.
Der Schwanz als sensible Antenne
Ein Schwanz ist tatsächlich ein außergewöhnlich sensibler und neugieriger Sender und Empfänger. Eine Art Antenne für zarteste Stimulation. Es braucht nicht viel, um ihn anzusprechen. Das muss kein Vortrag sein, kein monumentales Epos. Ein winziges Bild in der Zeitung oder ein spontan aufgeschnapptes Frauenstöhnen in der Nachbarswohnung reichen ihm völlig. Er ist direkt verbunden mit dem Ursprung allen Seins und in natürlicher Unbeirrbarkeit folgt er ein Leben lang seiner Bestimmung.
Das ist nicht „search and destroy“, sondern „search and enjoy“
Die Macht, die dahinter steckt, mag vielleicht durch Explosionen, Schüsse, lautes Knallen oder eindringende Schwerter symbolisiert worden sein, doch ein neues Bild und Symbol dafür ist pures Licht. Das ist, wovon Menschen so inspiriert, so belebt werden. Das Licht. Nicht die Zerstörung. Destruktive Vergleiche mit einem Schwanz sind hoffnungslos veraltet und zielen an der Wahrheit vorbei. Es ist keine unzerstörbare Waffe, sondern ein hypersensibler Teil des Körpers, verletzlich, zart – und mit größter Vorsicht zu behandeln.
Schön wäre, wenn nicht mehr Größe, Durchmesser und Härte ein Ausdruck für irgendetwas wären, sondern wenn der Schwanz als Teil einer sich ständig ändernden Versuchsanordnung gesehen würde. Nichts ist fest- oder vorgeschrieben. Es gibt nicht nur eines, was der Schwanz, und nicht nur eine Art, wie er fühlen kann. Wer sich der Erfahrung hingibt, darf entdecken, dass es sich wirklich um einen Zauberstab handelt. Zum Beispiel, wenn keine Berührung mehr stattfindet, und er dennoch reagiert, als würde er angefasst.
Kein Schwanz ist eine Waffe, Machtinstrument, Sportgerät oder Messlatte für die Größe des eigenen Egos. Er ist dein Bindeglied zu einer der wenigen Wunder, die dir als Erwachsener bleiben, in einer Welt, die Schönheit, Lust und Liebe misstraut. Genießt ihn, Männer und Frauen.