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Mein Sadomasochismus ist wie ein Regenbogen
Gefühle einer Emotionsjägerin
Jeder Mensch mag den Regenbogen. Er ist bunt und vielfältig, beinhaltet jede denkbare Lichtfarbe und jedes vorstellbare Spektrum. Er ist vollständig und schön. Jeder Regenbogen zeigt das Ganze.
So ähnlich ist mein SM. Ich will nicht nur ein Gefühl, mein Ziel ist nicht die Lust oder die Lustbefriedigung. Mein Ziel sind Emotionen – und zwar alle. Wie viele wundervolle Gefühle tragen wir Menschen in uns – Hingabe, Lust, Freude, Liebe, aber auch Angst, Schmerz, Verzweiflung bis hin zu (Selbst)Aufgabe, all das sind Gefühle, die ich suche. Ich bin Emotionsjäger, ich will all diese Dinge in meinem Gegenüber sehen und spüren und mich von ihnen anstecken lassen. Würde ich mich auf nur eines dieser Gefühle beschränken, es wäre als würde ich sagen, ich wolle nicht den ganzen Regenbogen sehen, sondern nur die Farbe Lila.
Der Regenbogen ist für beide da: Swinger und SMer
Wieder einmal regte ein Gespräch, das ich führte, Gedanken in diese Richtung an, ob ich denn alleine sei mit dieser Einstellung oder ob ich zumindest nicht der Norm entspräche. Ob die SMer und die Swinger (mit denen ich nach wie vor nicht so richtig warm werde) vielleicht gar nicht so weit auseinanderlägen wie ich das immer vermutete. Das Swinger-Völkchen vereint eine Sache: nämlich die Lust auf Lust. Was okay ist, aber eben nur eines von vielen Gefühlen und mir damit in seiner Gesamtheit zu oberflächlich. Immer auf der Suche nach Geilheit, Lust, nach Lustbefriedigung, nach dem nächsten Orgasmus. Sind die SMer da wirklich anders? Nun, ich für meinen Teil bin es. Aber wie steht es um die anderen?
Besagter Mensch, der mich zum Nachdenken brachte, war ein Rigger, den ich kennenlernte. „Warum fesselst du?“, wurde er gefragt, und seine spontane Antwort war „weil ich Frauen gerne kommen sehe und noch lieber der Grund dafür bin“. Diese Aussage machte mich neugierig und ich wollte mehr darüber herausfinden. Bereits nach kurzer Zeit war mir klar, dass er und ich nicht weniger hätten gemeinsam haben können.
Bei mir gibt es keinen Unterschied zwischen mir und mir
Der Gute betrieb SM als Lust-Spiel, etwas verruchter, etwas durchtriebener, dreckiger und härter als es seine Kollegen aus der Swinger-Szene getan hätten, aber dennoch mit demselben Ziel: der Befriedigung von körperlichen Gelüsten, seinen eigenen sowie der seiner Mitspielerinnen. In meinen Augen war an seinem SM nichts Authentisches, was mir besonders klar wurde, als er auf eine Frage, die ich ihm stellte, antwortete: „Das kommt darauf an, als wen du mich fragst. Ich als Dom würde dir jenes antworten, aber ich als ich sehe das so und so“. Meine spontane Antwort: „Ach, zwischen dir als Dom und dir als dir gibt es einen Unterschied? Ist bei mir nicht so…“
Und zeitgleich drängte sich mir die Frage auf, wie viele da draußen es ähnlich sehen, die SM als nettes kleines Schlafzimmerspiel betreiben und wie viele – oder wie wenige – da wohl so denken wie ich. Für mich ist SM keine sexuelle Spielart – für mich ist SM Beziehungsgrundlage. Immer und ständig, nicht nur im Schlafzimmer.
Mein Verflossener sagte einmal zu mir: „Nicht die Sexualorientierten sind die Ausnahme, wir sind es“. Und ich wollte es kaum glauben.
Erst vor wenigen Tagen verbrachte ich einen netten Abend mit einem attraktiven Mann. Ich kannte ihn schon seit Jahren beruflich und von jeher war eine Anziehung da zwischen ihm und mir. Und viele Jahre schon begleitet uns die Erkenntnis, dass wir da nicht zusammenkommen, denn er ist kein SMer und ich bin kein Vanilla. Und der gemeinsame Nenner fehlt.
Gegen Hormone sind wir alle machtlos
Seit vielen Jahren schon führen wir Gespräche über eben jenes Thema. Nie hat er verstanden, was ich da eigentlich tue und nie habe ich verstanden, warum er es nicht versteht.
Was wäre aber, wenn mein SM und sein Sex gar nicht so verschieden wären? Wenn die Begegnungen und Erlebnisse, die die Menschen da draußen suchen, sich gar nicht so sehr unterschieden von denen, die ich suche?
„Gegen Hormone sind wir alle machtlos“, habe ich irgendwann mal irgendwo gelesen. Und dem gebe ich Recht. Und wenn man sich einmal mit den biochemischen Prozessen im menschlichen Körper beschäftigt, dann fängt man an, Gefühle zu verstehen. Es ermöglicht einem, Gefühle in anderen auszulösen und es ermöglicht einem auch, die eigenen Gefühle besser zu verstehen. Und es nimmt der Situation den Zauber, wenn ich weiß, ich verliebe mich nicht in jemanden, weil der so ein toller Typ ist, sondern weil mein Körper im Moment des Orgasmus Prolaktin und Endorphine ausschüttet und derjenige just in diesem Moment zufällig zugegen war oder schlimmstenfalls vielleicht noch etwas zu eben jenem Orgasmus beigetragen hat.
Und egal wie ich es drehe und wende, egal welche Wertigkeit ich der eigentlichen Sexualität in meinem Leben zumesse – und diese schwankt ständig – ich komme immer wieder zu demselben Schluss: Es sind die Situationen, die ich suche, die Emotionen bergen, es sind die Gefühle selbst, die ich will. Sie sind für mich die Würze des Lebens, der Kern des Ganzen, der Grund, warum ich all das hier mache. Nämlich leben und jeden Moment meines Seins auszukosten und bewusst zu fühlen.