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Wenn Chats, Fotos und Videos zum Problem werden
Das Betrachten intimer Szenen zwischen Personen kann sich zu einer Abhängigkeit entwickeln und die persönliche Sexualität maßgeblich verändern. Pornografie dient vielen dazu, ihr Intimleben aufzufrischen. Während es anfangs stimulierend wirkt, stellt es für zahlreiche Individuen in Deutschland nunmehr eine Abhängigkeit dar. Diese Abhängigkeit wird mittlerweile als zwanghafte sexuelle Störung anerkannt, und es entstehen derzeit Therapieoptionen.
Wie Pornos zur Sucht werden können
"Als 13-Jähriger sah ich zum ersten Mal Pornografie", berichtet Niklas, ein Pseudonym. Während seiner Pubertät stieg der Konsum. Mit Beginn der Pandemie "explodierte" sein Konsum, wie er anmerkt. Der heutige 25-Jährige suchte daraufhin Unterstützung. Er ist nicht allein: "Zirka drei Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland leiden unter einer Pornografienutzungsstörung", so Rudolf Stark, Professor für Psychotherapie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Etwa ein Prozent der Frauen ist ebenfalls betroffen.
Die professionelle Hilfe für Betroffene wie Niklas ist, laut Stark, nicht überall vorhanden. Seit über 15 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Pornografiekonsum. Viele Therapeuten seien auf diese Störung noch nicht vorbereitet. 2019 führte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwanghafte sexuelle Störungen als Impulskontrollstörungen ein. Dieser Schritt war laut Stark sehr bedeutend. Es fehlt jedoch noch die offizielle Anerkennung als Abhängigkeit.
Innovative Therapieansätze
Rudolf Stark leitet seit Juli 2023 das Projekt "PornLoS" an der Universität in Gießen. Dieses Projekt zielt darauf ab, neue Therapiemethoden zu entwickeln. Die Finanzierung dieses Forschungsprojekts beträgt 5,4 Millionen Euro über die nächsten dreieinhalb Jahre.
Laut Stark war die Pandemie nicht der Hauptantrieb für dieses Projekt. Zwar gab es Berichte über einen Anstieg nach dem ersten Lockdown, aber spätere Studien konnten dies nicht bestätigen.
Ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter
Die Münchner Therapeutin Heike Melzer erläutert, wie die sogenannte Pornosucht beginnen kann. Anfangs dient es vielen als Mittel zur Belohnung. Doch mit der Zeit kann es zu einer Toleranzentwicklung und letztlich zum Kontrollverlust kommen.
Einige ihrer Patienten haben finanzielle oder zeitliche Probleme durch ihren erhöhten Konsum. Das übermäßige Betrachten von Pornografie kann zu einer Desensibilisierung führen. Melzer betont, dass der Neurotransmitter Dopamin eine zentrale Rolle spielt. Ein Übermaß an Dopamin-Kicks kann das Gehirn desensibilisieren und die natürliche Regulierung des "Glückshormons" stören.
Die Auswirkungen auf die Sexualfunktion
Niklas bemerkte, dass sich die Art der Inhalte, die er konsumierte, veränderte. Seine Beziehung litt darunter und endete letztlich. Ein exzessiver Konsum kann laut Melzer oft zu sexuellen Funktionsstörungen führen.
Menschen, die denken, dass ihr Partner betroffen sein könnte, sollten das Thema ansprechen, so Melzer. Für Angehörige von Menschen, die unter Pornosucht leiden, gibt es auch Unterstützungsgruppen. Niklas betont, dass seine Therapie sehr geholfen hat, obwohl er immer noch mit den Folgen der Sucht kämpft.
Wenn Pornos zur Sucht werden, kann dies tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben einer Person haben. Es ist wichtig, das Bewusstsein für dieses Problem zu schärfen und geeignete Therapieoptionen bereitzustellen.
Von der Isolation zur Wiederherstellung
Die Pornografiesucht kann Menschen isolieren, ihre Selbstwahrnehmung verändern und letztendlich Beziehungen zerstören. Es ist jedoch möglich, diese Abhängigkeit zu überwinden und ein gesundes, ausgeglichenes Leben zu führen.
Technologie und Verfügbarkeit als zweischneidiges Schwert
Mit der fortschreitenden Technologie und der Digitalisierung hat sich der Zugang zu pornografischen Inhalten vervielfacht. Während einige es als befreiend betrachten und ein gesundes Gleichgewicht im Konsum finden, stürzen andere in einen Abgrund der Übernutzung.
Geräte wie Smartphones, Tablets und Computer erleichtern den Zugang zu solchem Material, und die Anonymität des Internets bietet eine Deckung, die es vielen ermöglicht, ihre Abhängigkeit im Verborgenen zu halten. Die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit von Pornografie über das Internet verstärkt das Problem für manche.
Der Weg zur Erholung
Für viele, wie Niklas, beginnt die Heilung mit der Anerkennung des Problems. Von Selbsthilfegruppen bis hin zu individuellen Therapiesitzungen gibt es eine Vielzahl von Ressourcen, die helfen können. Es ist entscheidend, ein Unterstützungssystem zu finden, das den Betroffenen dabei hilft, ihre Abhängigkeit zu überwinden und sich wieder mit der Realität und ihren geliebten Menschen zu verbinden.
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Dr. Martina Schmidt, eine in Berlin ansässige Therapeutin, betont die Wichtigkeit des Verständnisses und der Empathie bei der Behandlung solcher Abhängigkeiten. "Viele der Betroffenen kämpfen mit Scham und Selbsthass. Ihnen klarzumachen, dass sie nicht allein sind und dass Hilfe verfügbar ist, kann den ersten Schritt in Richtung Genesung bedeuten."
Vorbeugung ist der Schlüssel
Aufklärung über die möglichen Risiken und Auswirkungen von übermäßigem Pornokonsum sollte in der Gesellschaft stärker verankert werden. Schulen und Eltern sollten die Herausforderungen der digitalen Welt und den Umgang mit ihr in ihre Erziehung integrieren.
Abschließende Gedanken
Die Abhängigkeit von Pornografie ist ein komplexes Thema, das mehr Beachtung in der Gesellschaft finden sollte. Es ist wichtig, ohne Vorurteile über das Thema zu sprechen und Menschen zu unterstützen, die Hilfe suchen. Jeder, der mit dieser Abhängigkeit zu kämpfen hat, sollte wissen, dass Erholung möglich ist und dass es Hoffnung auf ein erfülltes, ausgewogenes Leben gibt.
Quelle: n‑tv