Den ganzen Tag vögeln?
Winter 2013: Nach einem viertel Jahr als Porno-Regisseur beim Erotik-Label Eronite wache ich jeden Morgen gegen 14 Uhr mit je drei Pornodarstellerinnen auf beiden Seiten meines Himmelbetts auf. Die sechs Damen streiten sich liebreizend darum, wer mich vor dem Aufstehen oral beglücken darf – mein salomonisches Urteil: Die Frauen werden kreisförmig um meine Körpermitte verteilt. 24 multiple Orgasmen und ein Frühstück aus Mittelmeerfrüchten später werfe ich einen Blick in mein E‑Mail-Postfach: Etwa 470 Anfragen renommierter Erotik-Sternchen aus aller Welt. Ich sortiere großzügig aus, bevor ich meiner Assistentin nach ausführlichem Begrüßungssex auftrage, die gerade 18 gewordenen 75C-Kandidatinnen mit Gagenvorstellungen um die 50 Cent pro Drehtag zu kontaktieren – ich brauche jetzt erstmal Mittagspause!
Zurück in der Realität: Die meisten Menschen haben sicher wenig Vorstellung davon, wie die Arbeit als Porno-Regisseur in der Erotikfilmindustrie aussieht. Manche glauben anscheinend, es läuft in etwa so, wie eingangs zusammenfantasiert. Bei den meisten hingegen hat es sich bereits rumgesprochen: Die deutsche Porno-Branche hat das Internet gegen sich. Ich bin 25, habe Abitur, zwei mal erfolglos studiert. Vor einigen Monaten bin ich von Hera Delgado, Deutschlands einziger Fetisch-Regisseurin, zum Leiter der Hardcore/Reality-Produktion EROdays bei den Eronite Movie Productions ernannt worden. Eine verantwortungsstarke Aufgabe, denn das Label ist bereits seit 2006 am Markt und hat einen gewissen Ruf zu verteidigen. Hera produziert seit Jahren sehr hochwertige Fetisch- und Porno-Filme und diese Qualität möchte ich beibehalten. Und dafür muss auch als Porno-Regisseur gearbeitet werden – viel gearbeitet: Ich kontaktiere Darstellerinnen und Darsteller, technische Assistenten, Zeitschriften-Redakteure, Erotik-Portale. Ich suche geeignete Drehorte, pflege Karteien, kümmere mich um Marketing-Angelegenheiten und die Social Media-Betreuung. Zwischenzeitlich muss Vertriebsmaterial verwaltet werden – manchmal wird einem ganz anders, wenn man die "Inhaltsangaben" von vierzig verschiedenen Natursekt-Pornos gelesen hat.
Besonders auffällig: Lediglich ein bis zwei mal im Monat begegnet mir im beruflichen Zusammenhang eine nackte Person. Vieles beim Porno ist banaler als man glauben könnte. Aber das stört mich nicht, selbst wenn ich Durststrecken zu ertragen habe, in denen es wenig Action gibt. Der Job gibt Selbstvertrauen und auch das "echte Leben" profitiert davon sehr: Freundinnen und Freunde unterhalten sich gerne mit mir als Porno-Regisseur über die Arbeit, denn zu Pornographie kann einfach jeder was sagen. Arbeits- und Privatzeit rücken viel näher zusammen. Häufig genug werfe ich nachts nochmal den Rechner an, weil meine kreative Phase lange nach Mitternacht einsetzt. Und alle paar Wochen steht ein Dreh an: Dann trifft sich das Team morgens mit den Darstellern und die nächsten Stunden beginnt der spannendste Teil unserer Branche: Dann gucken wir dabei zu, wie erotische Frauen und Männer ihre sexuellen Vorlieben ausleben. Behutsam und zurückhaltend fangen unsere Kamera-Leute die Szene ein. Wir Regisseure haben dann außer den Formalitäten nicht viel zu tun und können uns auf das Gesehene konzentrieren. Zugegeben: Das ist tatsächlich einer der schönsten Teile unserer Arbeit und weicht vermutlich gar nicht so sehr von den Vorstellungen branchenferner Menschen ab. Bisher habe ich bei drei Filmen für die Regie als Porno-Regisseur mitgearbeitet. Beim Dortmunder Darsteller-Casting im August habe ich zum Beispiel die Darstellerin Kim Triple‑X beaufsichtigt, als sie von mehreren Dutzend Amateuren vernascht wurde. Selbst mein Titelvorschlag hat es geschafft: "Das Eronite Fuckfest" ist vor kurzem in unserem Shop erschienen.
Ein Leben als Porno-Regisseur
Seit einiger Zeit ist außerdem das Thema Management auf der Agenda: Vor einigen Wochen hat uns eine junge Amateurin namens Elisia Sky angeschrieben, die sich für Darstellerinnenarbeit interessiert. Ich habe sie von Anfang an persönlich betreut und werde voraussichtlich für sie verantwortlich bleiben. Unser erstes gemeinsames Projekt war ein Foto-Shooting in Berlin-Friedrichshain. Von jetzt an verdoppelt sich gewissermaßen meine Verantwortung, denn alle Marketing- und sonstige Arbeit für das Label wird jetzt auch noch für eine Darstellerin notwendig. Da ist schnell ein Zehnstundentag voll. Aber der Ausgleich als Porno-Regisseur für die viele Arbeit sind die Ergebnisse: Es ist ein tolles Gefühl, ein eigenes Projekt eingeschweißt in der DVD-Box in den Händen zu halten oder eine vollständig bearbeitete Fotoreihe durchzusehen. Den ganzen Tag vögeln? Das vielleicht nicht, aber die echte Arbeit als Porno-Regisseur ist fast genau so gut!